Hochtechnologie als Hilfe

Studie zum Autofahren mit peripherer Polyneuropathie

An der Uniklinik Göttingen erforschen Wissenschaftler, wie moderne Technik Diabetikern mit peripherer Polyneuropathie das Autofahren erleichtern kann. Für die Grundlagenstudie werden noch Teilnehmer gesucht.

Der Aufbau erinnert schon beträchtlich an ein ganz gewöhnliches Auto: Es gibt ein Lenkrad und drei Pedale für Gas, Bremse, Kupplung. Doch statt einer Windschutzscheibe gibt es eine Virtual-Reality-Brille, die den Blick aus dem Fahrzeug auf die Straße simuliert. So lassen sich alltägliche Situationen im Straßenverkehr realitätsnah simulieren, ohne dass die „fahrende“ Person ein Zimmer in der Uniklinik Göttingen verlässt.

Autofahren mit diabetischer peripherer Polyneuropathie

Der Aufbau dieser Simulation dient einer Studie, mit der Wissenschaftler in Erfahrung bringen wollen, wie sich eine diabetische periphere Polyneuropathie auf das Fahrverhalten auswirkt – um dann mit spezieller Technik diese Auswirkungen zu minimieren. „Unser Hauptarbeitsgebiet ist eigentlich die Steuerung von Arm- und Beinprothesen“, erklärt Prof. Dr. med. Arndt Schilling, Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung an der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie der Universitätsmedizin Göttingen.

„Unsere Chirurgen können beispielsweise noch vorhandene Nerven per Operation in andere Muskeln verlegen“, erläutert der Mediziner. Die Folge: Wenn Betroffene etwas mit einer Handprothese greifen möchten, reicht wie bei einer gesunden Hand der Gedanke und die künstliche Hand greift zu.

Schilling: „Das Autofahren erleichtern“

Ein Problem, das jedoch bleibt, ist das fehlende „Feedback“. Soll heißen: Betroffene wissen bei einer bionischen Hand im Gegensatz zu einer natürlichen Hand nicht automatisch, in welcher Lage und Stellung sie sich befindet. Ein Ansatz sind kleine Vibrationstools, die – vereinfacht beschrieben – ein besseres räumliches Gefühl an der Prothese erzeugen. „Ich habe mir dann ganz konkret die Frage gestellt, ob wir diese Erfahrungen nicht nutzen können, um Diabetikern mit peripherer Polyneuropathie das Autofahren zu erleichtern“, so Schilling. Das konkrete Ziel ist, das Empfinden für die Pedalbedienung zu steigern. Denn eine Folge der Polyneuropathie ist unter anderem eine Sensibilitätsverminderung in den Füßen.

Gesucht werden Typ-1- und Typ-2-Diabetiker

Nun wird also geforscht. Die eingangs beschriebene Studie bildet dafür eine Grundlage. „Wir suchen weiterhin Probanden“, sagt Maryam Salim, Medizinstudentin im siebten Semester, die das Projekt im Rahmen ihrer Doktorarbeit betreut. Gesucht werden Typ-1- und Typ-2-Diabetiker mit peripherer Neuropathie. Grundsätzlich richtet sich der Aufruf aber auch an Nicht-Diabetiker und die Typ-“F“-Gemeinde, denn schließlich wird auch eine Kontrollgruppe benötigt. Hauptsache, es handelt sich um regelmäßige Autofahrer, die mindestens zweimal im Monat motorisiert unterwegs sind. Mitgebracht werden muss ein wenig Zeit von ungefähr 4,5 Stunden. Ein Termin wird mit den Probanden individuell vereinbart. Dabei wird die Experimentdauer inklusive An- und Abfahrtszeit mit je 10 Euro pro Stunde vergütet.

Bereicherung für alle Autofahrer

Wenn die Studie ausgewertet ist, wird es darum gehen, wie und wo der Prothesensteuerung ähnliche Feedback-Tools im Auto eingebaut werden können. Schließlich sollen sie einerseits deutlich wahrnehmbar sein – dürfen aber andererseits auch nicht stören. Auch wie das Signal aussehen beziehungsweise tönen wird, steht noch nicht fest. „Grundsätzlich wollen wir den Menschen eine Hilfestellung geben, das Auto besser zu beherrschen“, so Professor Schilling. „Und das ist überhaupt nicht auf Diabetiker beschränkt. Wenn sich das System bewährt, wäre es theoretisch eine Bereicherung für alle Autofahrer.“

Weitere Infos und Anmeldung:

maryam.salim@stud.uni-goettingen.de

Tel.: 0551 / 39 20 406